Ein Faible für alte Techniken

    Die Wagenschmitte Jucker Technik AG im zürcherischen Neerach gehört zu den ältesten Garagen der Schweiz und hat sich in der Branche einen Namen für besonders komplexe Restaurierungen gemacht. Hier wird die Leidenschaft für Oldtimer – unter anderem auch für den alten Fiat 500 – mit viel Fachwissen, Erfahrung und Fingerspitzengefühl für alte Techniken tagtäglich gelebt.

    (Bild: CR) Mit viel technischem Flair und Benzin im Blut: Johann Jucker mit seinem Sohn Philipp Johannes, der den Betrieb übernehmen und in der 7. Generation führen wird.

    Oldtimer sind seine grosse Leidenschaft und Passion. Mit viel Fingerspitzengefühl und Liebe zum Detail bringen er und sein Team die alten Zeitzeugen wieder auf die Räder und hauchen ihnen neues Leben ein: Johann Jucker führt seit über 20 Jahren die Wagenschmitte Jucker Technik AG im zürcherischen Neerach. 2013 hat er sein Hobby zum Beruf gemacht und den ursprünglichen Landmaschinenbetrieb zu einer reinen Oldtimergarage umgewandelt. Das aussergewöhnliche Unternehmen kann auf eine langjährige Geschichte zurückschauen, gehen doch die Wurzeln des Betriebes bis ins Jahr 1851 zurück. Die einstige Huf- und Wagenschmiede seines Ur-Ur-Ur Grossvaters entwickelte sich vom Landmaschinenbetrieb über den Verkauf von Rasenmäher und Gartenmaschinen bis zur heutigen Garage für Veteranenfahrzeuge. «Wir haben uns ständig den Bedürfnissen des Marktes angepasst und sind so immer mit der Zeit gegangen», erklärt Jucker. Zum Erfolgsrezept gehört nebst Innovation und Weitsichtigkeit auch die Verwurzelung mit dem Dorf Neerach sowie die Fokussierung auf den eigenen Familienbetrieb. «Wir wollten uns nie einem grossen Player unterwerfen», sagt Jucker. Er bewegt sich schon seit über 30 Jahren in der Oldtimerszene, wo er für seinen grossen Erfahrungsschatz, sein Wissen und seine technischen Kenntnisse geschätzt wird.

    Die Wagenschmitte Jucker Technik AG hat sich u.a. einen Namen gemacht mit der Restaurierung des alten Fiat 500 «Rucksäckli», der von 1957 bis 1975 gebaut wurde. Die Kundschaft stammt zum Teil bis weit aus dem europäischen Ausland. Jucker und sein Team – drei Fachleute in der Werkstatt sowie Lernende – haben sich auf anspruchsvolle technische Arbeiten rund um alte Motoren, Antriebe und Fahrwerke spezialisiert. Wo andere die Finger davonlassen, da sind die Neeracher Oldtimerspezialisten in ihrem Element: «Wir setzen in unserer eigenen Carrosserieabteilung äusserst komplexe und schwierige Arbeiten – dies reizt uns und spornt uns zu Höchstleistungen an. Den grössten Teil der Arbeiten machen der Unterhalt, Instandsetzung und Restaurierungen der alten Fahrzeuge bis ca. Baujahr 1990 und älter aus. Ebenso handelt Jucker mit Oldtimerersatzteilen für Autos der Marke Fiat und Verwandte. Nebenbei repariert und installiert er Wasserleitungen im örtlichen Ortsnetz.

    Oldtimer für die Nachwelt als Kulturgut erhalten
    Als gelernter Landmaschinenmechaniker hat sich Jucker wie auch sein Sohn Philipp Johannes, der bereits seit fünf Jahren im Betrieb mitwirkt – viel Wissen zur Restaurierung alter Fahrzeuge angeeignet. «Unser Spezialist in der Carrosserie ist ein wahrer Blechvirtuose und kann mit einem Know-how, das er im In- und Ausland erworben hat, aus dem Vollen schöpfen – gerade, wenn es um die Bearbeitung von Blech und anderen Werkstoffen geht. Dank jahrelangen Branchen- und Marktkenntnissen sind Ersatzteile schnell und zuverlässig organisiert. Nebst den alten Fiats, die zu ihren Glanzzeiten zu den meistverkauften Autos Europas gehörten, werden auch alte VW-Busse und -Käfern sowie einige englische Veteranen gehegt und gepflegt. «Wir möchten aber unser Know-how bezüglich anderer Marken noch ausbauen», so Jucker.

    Er hat seit Kindsbeinen «Benzin im Blut» und ist bereits als Jugendlicher mit dem Oldtimervirus infiziert worden. Der Einheitsbrei der heutigen Automobilindustrie langweile ihn schon lange. Mit einem geschulten Auge für Formen, Design und Ästhetik steckt er viel Herzblut in die alten Schätze. Er möchte damit aber auch diese Veteranenfahrzeuge als rollendes Kulturgut erhalten. «Die alten Autos stehen in unserem digitalen schnelllebigen Zeitalter für Beständigkeit, die wieder mehr an Bedeutung gewinnt.»

    (Bild: CR) Ein weiteres Standbein ist die Vermietung des Fiat Cinquecentro – ein Modell, das einen gewissen Kultstatus erreicht hat, und besonders bei Damen beliebt ist.

    Ein weiteres Standbein ist die Vermietung des Fiat Cinquecentro – ein Modell, das einen gewissen Kultstaus erreicht hat, und besonders bei Damen beliebt ist. Wie innovativ die Branche ist, zeigt, dass auch für die ältesten Fahrzeugen die neusten Technologien wie 3D-Scanning eingesetzt wird. Die Oldtimer können aber auch mit dem heute propagierten Nachhaltigkeitstrend mithalten. Dazu Jucker: «Wenn man bedenkt, wieviel Ressourcen nur schon die Herstellung eines Neuwagens verbraucht, so müssen wir uns mit dem Erhalt der Oldtimer nicht rechtfertigen. Die Umweltbelastung durch die Oldtimer ist ausserdem derart gering, dass sie kaum messbar ist.» Zudem würden die rollenden Raritäten in den wenigsten Fällen nach dem ordentlichen Gebrauch entsorgt und würden so die Umwelt ein weiteres Mal viel weniger belasten.

    Junge Fachkräfte mit traditionellen Garagen ausbilden
    Das Unternehmen bildet schon seit Generationen mit viel Leidenschaft junge Fachleute aus, ganz nach dem Motto «Wer Fachkräfte benötigt, soll auch ausbilden!» Jucker bildet die Automobilfachleute EFZ in Zusammenarbeit mit «modernen» Autogaragen aus. «Wir erhalten dann im Gegenzug deren Lernende ins Oldtimerpraktikum.» Und der Chef betont: «Unsere Lehrstellen sind begehrt. Allerdings werden unsere Lernenden überdurchschnittlich gefordert.» Ebenso besteht die Möglichkeit, sich zum Fahrzeugrestaurator FA ausbilden zu lassen. Wichtig ist Jucker, dass die jungen Fachkräfte sich für den Beruf und die Oldtimer begeistern können: «Ohne eine gehörige Portion Leidenschaft für unsere Technik, geht es nicht.» Das Rekrutieren von Fachkräften ist denn auch eine der grossen Herausforderungen im Betrieb.
    Veteranenfahrzeuge sind in der Schweiz begehrt (vgl. Kasten.) aufgrund der Pandemie haben Wertigkeit und Beständigkeit wieder einen grösseren Stellenwert erhalten und «Vintage»-Produkte sind voll im Trend. Dies trifft auch auf die alten Fahrzeuge zu. «Die Leute haben mehr Zeit für ihre Schätzchen, entsprechend haben wir sehr viel Arbeit», stellt Jucker fest. Für die Zukunft möchte der engagierte Unternehmer seine Infrastruktur weiter entwickeln. Er plant auch, seine Werkstatt zu vergrössern. Ebenso organisiert er bereits die Nachfolgeregelung. Sein Sohn möchte die Firma in der 7. Generation mit demselben Gespür für historische Fahrzeuge weiterführen.

    Corinne Remund

    www.wagenschmitte.com


    VETERANENFAHRZEUGE

    Der «Charme des alten Blechs»

    Wenn wir einem klassischen Automobil begegnen – egal ob im realen Leben auf der Strasse, auf der Kinoleinwand, am TV-Bildschirm oder auf einer Magazinseite – so lösen diese alten Fahrzeuge immer grosse Emotionen aus. Sie heben sich von den modernen Autos ab und fallen im Strassenbild auf. Der «Charme des alten Blechs» gefällt nicht nur den Besitzerinnen und Besitzer dieser Fahrzeuge. Oldtimer sind in der Schweiz beliebt: Rund 250 Clubs, Vereine und Freundeskreise kümmern sich um den Erhalt der Fahrzeuge. Ein starker Dachverband – Swiss Historic Vehicle Federation SHVF – mit rund 25’000 organsierten Enthusiasten und ein breites Spektrum an Veranstaltungen tragen dazu bei, dass die Szene sichtbar ist und bleibt. 53’000 Schweizerinnen und Schweizer besitzen mindestens einen Oldtimer und 156’000 Veteranenfahrzeuge (älter als 30 Jahre) sind in der Schweiz zugelassen. «In kaum einem anderen Land ist die Vielfalt der Marken und Typen grösser, weil in Ermangelung einer bedeutenden Schweizer Automobilindustrie die allermeisten Fahrzeuge aus allen Ländern importiert wurden», weiss Johann Jucker. «Zu diesem Erbe muss Sorge getragen werden.» Dies tut der Oldtimerspezialist in seinem Unternehmen – der Wagenschmitte Jucker Technik AG in Neerach/ZH – tagtäglich, wenn er das rollende Kulturgut hegt und pflegt, damit auch künftige Generationen vergönnt ist, die Geschichte der Mobilität nicht nur im Museum oder medial zu erleben, sondern ihr auch «echt» auf Schweizer Strassen zu begegnen.

    CR

    www.shvf.ch

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